Mehrkanal Hörspiel
Konzeption, Recording, Musik, Mischung: Till Zehnder
Text, Stimme, Dramaturgie: Kevin Hütten
Stereo Downmix:
Der Traum ist ein hochgradig aufgeladenes Motiv der Kunst- sowie generell der Menschheitsgeschichte. Im Traum findet Mensch eine Bandbreite der Faszination. Seine Wirkungsmuster oszillieren zwischen entzückender Euphorie und erschütternder Bedrohung. In ihm wird die Fiktion der Anderswelt real. Wenn auch nur eingeschränkt erfahrbar und immer singulär. Erst durch die Reproduktion der Träumerei kann ein Kollektiv an derselben teilhaben. Zu Beginn steht immer die persönliche intime Erfahrung einer Zwischenwelt, die je nach Ausgestaltung erfreuliche oder eben auch beängstigende Charakterzüge aufweist. So oder so bildet dieses meist skurrile narrative Material die Grundlage, auf der eine Traumnacherzählung stattfinden kann. Eine zentrale Frage ist hierbei diejenige der Umsetzung. Wie ist ein Traum beschaffen und wie übersetze ich diese Beschaffenheit in meine Kunstform, sodass das spezifisch Träumerische markiert bleibt. Bis heute gibt es unzählige Zeugnisse der bildlichen, schriftlichen und der ins Bild gesetzten Kunst, die sich mit und über den Traum äussern. Im Hinblick auf die Frage wie der subjektive Traum in ein Narrativ übersetzt werden kann, fällt auf, dass sich alle Künste gewisser Charakteristika sogenannten Kunstgriffen und Topoi bedienen, die so scheint es in der Kulturgeschichte besonders adäquat den Status des Träumerischen ausstellen. Wohlgemerkt handelt es sich bei den meisten Traumerzählungen nicht um wirkliche Nacherzählungen. Die narrative Struktur des Traumes ist dafür allzu lückenhaft und unstrukturiert. Ein simultanes Traum-Transkript eines schlafenden Menschen eignet sich kaum als Drehbuch. Der Nacherzählung muss es also gelingen dieses dem Traum spezifisch Defizitäre – die kausalunlogischen Handlungsfolgen, unmotivierte Ortswechsel, Gefühlsexplosionen aller Art um hier nur einige der Lücken aufzuzählen – in ein Narrativ zu glätten und gleichsam die erzählungstechnischen Defizite als Signum des Traumes beizubehalten. Das daraus resultierende Spannungsverhältnis ist eine der produktivsten Herausforderungen innerhalb der Traumerzählung. Eine die für jede Kunstform nochmals gattungsspezifische Fragen aufwirft. Kevin Hütten und ich versuchen uns diesbezüglich in einem Zusammenwurf musikalischer und literarischer Herangehensweisen. Das Hörstück Das Rabensextett setzt an der Schnittstelle zwischen klanglicher und schriftlicher Komposition an und fragt nach einer spartenübergreifenden Traumerzählung. Die Grundlage des Werkes bildete eine Kurzgeschichte von Kevin Hütten, die sich stark an der Lektüre der Traumnovelle von Arthur Schnitzler orientiert. Hütten setzte sich intensiv mit dem Werk Schnitzlers auseinander und fokussierte stilistische als auch narrative Elemente Schnitzlers, die darum bemüht sind das Traumspezifische darzustellen. Aus dieser Auseinandersetzung wuchs eine Kurzgeschichte, die sich als lose Hommage an die Traumnovelle verstehen kann. Ziel des Projektes war es, ein Hörstück zu erschaffen, in dem Klang und Schrift sich gegenseitig ergänzen, sodass keine hierarchischen Gefälle zwischen den einzelnen Medien entstehen. Durch eine solche Ausformulierung wollte ich bewusst einer Arbeitspraxis vorbeugen, in der die musikalische Komposition von mir lediglich der Vertonung des vorgetragenen Textes diente. Die klangliche Komposition ist eine eigenständige Auseinandersetzung mit dem Thema, die sich zwar am Text orientiert aber zu keinem Zeitpunkt bloss als Hintergrund fungiert. Viel mehr ist sie eine klangnarrative Ausgestaltung des Textes, die für die ihr unterliegenden kunstformspezifischen Herausforderungen im Umgang mit Traumerzählungen Antworten gefunden hat.